Anton Liborius Bernhard Meyer
Stadtdirektor
Zur Person
geboren: 02.08.1740 in Paderborn
gestorben: 18.08.1846 in Paderborn
Konfession: katholisch
Mutter: Maria Anna Catharina Wenneker
Vater: Johann Friedrich Anton
Geschwister: Ignatz Theodor Liborius (1773-1843)
Justine
Ehen: 26.09.1784: Maria Elisabeth Gleseker (geb. 8.09.1764, gest. 7.09.1836)
Kinder: 8.07.1785: Maria Anna Cahtarina Elisabeth
13.05.1787: Johan Friederich Anton
12.08.1789: Joseph Ludwig Bartholomäus
Biographie
<p> Der Jurist Anton Bernhard Liborius Meyer ist als langjähriger Maire und Stadtdirektor eine herausragende Persönlichkeit der Paderborner Stadtgeschichte. Am 2. August 1760 geboren, stammte er aus einer Juristenfamilie. Sein Vater war als Geheimer Rat und Kanzler einer der führenden Beamten des Fürstbistums Paderborn. Seine Mutter Catharina, eine geborene Wenneker, stammte ebenfalls aus einer angesehenen und begüterten Juristenfamilie. Das Haus am Kamp 20, die heutige Bonifatiusbuchhandlung, war von seinem Großvater Dr. jur. Melchior Wenneke erbaut worden. Bis zu seinem Tod im Jahr 1846 bewohnte Anton Bernhard Meyer gemeinsam mit seiner Frau Maria Elisabeth Gleseker dieses Haus. Der Familientradition folgend, schlug Meyer ebenfalls eine juristische Laufbahn ein. Nach seiner Schul- und Studienzeit am Theodorianum, in der er neben den klassischen Sprachen auch Französischunterricht erhielt, studierte Meyer in Heidelberg, Straßburg und Göttingen von 1778 bis 1782 die Rechtswissenschaften. Mit einer einjährigen Tätigkeit am Reichskammergericht in Wetzlar schloss er die juristische Ausbildung ab. Von Straßburg aus unternahm er im Jahr 1782 eine Bildungsreise nach Frankreich und besichtigte dort unter anderem das Schloss Versailles, wo König Ludwig XVI. (1754-1793) mit seinem Hofstaat residierte. Nach dem Studium kehrte Meyer nach Paderborn zurück und erhielt eine Anstellung in bischöfliche Dienste. Von 1783 bis 1803 bekleidete er das Amt des bischöflichen Hofrichters. Als bischöflicher Beamter unternahm er mehrfach diplomatische Missionen, die ihn durch ganz Europa führten. So im Jahr 1798, wo auf seinen Namen ein Gesandtschaftspass ausgestellt ist, der eine Reiserute über Hamburg, Berlin, Dresden, Prag nach Wien vermerkt. Mit der Inbesitznahme des Hochstifts durch Preußen blieben zunächst die bischöflichen Behörden bestehen und damit auch deren Mitglieder weiterhin im Amt. Die Qualifikation Meyers als Jurist stand außer Zweifel und wohl auch seine Loyalität gegenüber der neuen preußischen Regierung, so dass er 1803 zum Regierungsrat und Mitglied der Oberlandesjustizkommission avancierte. Unter französischer Herrschaft wurde er dann mit dem Amt des Maire von Paderborn betraut. Seine französischen Sprachkenntnisse, die diplomatischen Kontakte zu den führenden Höfen Europas und wohl auch eine Aufgeschlossenheit gegenüber den Idealen der Französischen Revolution machten ihm den Wechsel in französische Dienste leicht. Anlässlich der Vereidigung des Municipalrates hielt Meyer eine Rede, in der er sich über die Verfassung des Königreichs Westphalen, seine eigene Position und die Rolle des Rates äußerte. Die Grundlinien seiner Staatsauffassung können aus dieser Ansprache herausgearbeitet werden. Die Verfassung bezeichnete er als „eine der glücklichsten [...], da ich bei ihr die Souverainität des Monarchen in billigen Schranken gehalten fand.“ Die Berufung eines Parlaments und die Gliederung der Verwaltung in Bezirke und Kommunen würden eine Mitwirkung der Staatsbürger am Wohl des Königreiches ermöglichen. Der König sei in dieser Verfassung nicht ein Beherrscher, sondern ein Vater, der sich dem Wohl seiner Kinder verpflichtet sähe. Mit der Einrichtung von Municipalräten wären Repräsentationen des Volkes geschaffen worden, die dem König und seinen Ministern die lokalen Angelegenheiten vortragen könnten. Auf dieser Basis könne dann der König „seine Maasregeln zum Besten aller festsetzen“. Die gelungene Staatsverfassung und die Verbundenheit zu seiner Heimatstadt Paderborn führt Meyer an, um seine Berufung zum Bürgermeister zu rechtfertigen. Die Begeisterung über die neue Verfassung war indes nicht gespielt, kann doch das Königreich Westphalen als eine Art Modellstaat bezeichnet werden, in dem wesentliche Grundsätze der Französischen Revolution realisiert wurden. Dass es überhaupt eine geschriebene Verfassung gab, war aus der Sicht aufgeklärter Reformer schon ein Erfolg - die Verfassung des Königreichs Westphalen war die erste moderne Verfassung auf deutschem Boden. In ihr wurde die Gleichheit aller Bürger vor dem Gesetz, eine einheitliche Verwaltung und die religiöse Toleranz sowie eine Vertretung der Bürger, die nicht mehr auf ständischen Prinzipien beruhte, festgeschrieben. Grundlegende Reformgesetze auf den Gebieten der Regierung und Verwaltung, der Wirtschaft, der Gesellschaft und des Rechts gestalteten in den folgenden Jahren den Übergang von der Ständegesellschaft zur Staatsbürgerschaftsgesellschaft - ein Wandel, der bereits von den Preußen eingeleitet worden war. Freiheit und Wohlstand sollten die Bevölkerung möglichst schnell für dieses neue Staatswesen einnehmen und zugleich das Königreich Westphalen zu einem Vorbildstaat für die anderen französisch dominierten Staaten machen. Der Alltag der bürgermeisterlichen Verwaltungstätigkeit sah nicht immer so glänzend aus, wie dies die Berichte über Siegesfeiern, Huldigungsfeierlichkeiten und festliche Vereidigungen vielleicht erscheinen lassen. Die herausgehobene Position des Maires kontrastierte auffällig zur offenbar mangelhaften Personalausstattung der Verwaltung. In einem Bericht an den vorgesetzten Unterpräfekten schreibt Meyer über seinen Beigeordneten Möhlmann und seinen Sekretär Bernhard Flören: „Da beide Herren in ihren Amtsverrichtungen theils wegen schwacher Gesundheitsumstände, theils wegen Alter auch in Hinsicht ihrer Bequemlichkeit nicht recht thättig sind, ich mich auf sie nicht völlig verlassen kann, daher genöthiget bin, die meisten Sachen, auch die allergeringsten, selbst zu entwerfen, diese auch oft eigenhändig zu schreiben, wozu ich die Morgenstunden und die Abendzeit, auch selbst in der Nacht hierin widmen muß, weil ich bei Tage die keinen Aufschub leidende Geschäfte, als Durchmarsch, Einquartierung, Conscription, Patente, Personal-Einkommensteuer und die sonst weiter unvermuthet vorfallende[n] Arbeiten abzunehmen habe.“ Bürgermeister Meyer war damit in der allgemeinen Verwaltung weitgehend auf sich selbst gestellt, da sein Sekretär und sein Beigeordneter an den Vormittagen nur sporadisch und an den Nachmittagen überhaupt nicht ins Rathaus kamen. Dies legen auch die Akten der Stadtverwaltung nahe, die weitgehend von Meyer selbst geführt wurden. Die Forderungen nach Einstellung eines Schreibers für das Rechnungswesen und eines neuen Sekretärs waren wohl auch für die Präfektur nachvollziehbar. Bernhard Flören wurde am 2. Mai 1811 in den Ruhestand versetzt und auf Vorschlag Meyers Leopold Trettner zum Sekretär ernannt. </p> <p>Die Jahre 1800 bis 1815 waren Kriegszeiten. Die Verpflegung und Einquartierung von durchziehenden Truppen, die Aufbringung der Steuern, mit denen die wechselnden Herrschaften den Krieg finanzierten, die Stellung von Soldaten und die Suche nach Deserteuren, das alles gehörte zum „Alltagsgeschäft“ des Maires bzw. Stadtdirektors Meyer. Ende Oktober 1813 waren es französische Truppen, bei der Völkerschlacht von Leipzig geschlagen, die auf dem Rückzug nach Westen im Paderborner Land Quartier bezogen. Der General von Rigau zog mit etwa 6.000 Mann zu Fuß und zu Pferd in die Stadt. Er selbst bezog standesgemäß den Westfalen-Hof in der Gierstraße. Einige seiner Offiziere gaben sich allerdings nicht mit der Einquartierung zufrieden, sondern forderten von der Stadt umfangreiche Geld- bzw. Sachmittel wie Tuche, Stiefel, Schuhe und Sättel. Über die dramatischen Ereignisse berichtet aus Paderborner Sicht ein Protokoll: „Hierauf eilten mehrere Officiere dieses Corps zur Mairie und verlangten einiges mit dem Maire zu sprechen. Als sie sahen, dass auf dem Bureau sehr viele Personen aus hiesiger Stadt versammelt waren, ersuchten sie den Herrn Maire, mit ihnen allein in das daran stoßende Nebenzimmer zu gehen. Der Maire, gar nichts Übles ahnend, genügte das Gesuch der Officiere, und als sich circa 14 an der Zahl mit ihm hereingedrängt hatten, schlossen sie hinter sich die Thüre und einer unter diesen Officieren machte den Herrn Maire mit ihrem Vorhaben bekannt, zog einen Bogen Papier aus der Tasche worauf alle Requisitionen verzeichnet waren.“ Die Forderungen wurden von den Offizieren mit einer unverholenden Drohung verbunden, worauf der Bürgermeister versuchte, zunächst einmal Zeit zu gewinnen. Auf seinen Vorschlag, die Beschlagnahmungen nicht sofort zu unterzeichnen, sondern erst einmal Informationen über die gewünschten Waren und deren Verfügbarkeit bei den Kaufleuten einzuholen, ließen sich die französischen Offiziere aber nicht ein. „Die Officiere ... wurden ganz tobend ungestüm und waren im Begriffe, mit gezogenem Säbel vom Herrn Maire den anfangs verlangten schriftlichen Revers mit Gewalt zu erringen.“ Der im Nachbarraum anwesende Stadtkommandant und andere Personen kamen nun dem Bürgermeister zur Hilfe und konnten erreichen, dass die Offiziere das Rathaus verließen. Der vom Bürgermeister persönlich aufgesuchte General von Rigau distanzierte sich zunächst von dem Vorgehen seiner Offiziere, legte aber am folgenden Tag eine Liste mit Forderungen vor, die sich wohl auf etwa 20.000 Reichstaler beliefen. Mit dem Hinweis, dass die Stadt auch der Plünderung freigegeben werden könne, unterstrich der General sein Ansinnen, so dass die Stadt versuchte, durch persönliche Geschenke die Höhe der Forderungen herabzusetzen. Man einigte sich schließlich einvernehmlich auf die Zahlung von 200 Louisdor in Gold und die Lieferung von Tuch bzw. Leinwand. Der General Rigau war offenbar zufrieden gestellt und überwachte am nächsten Tag persönlich den Abzug seiner Truppen, um weitere Übergriffe zu verhindern. </p> <p>Die Sympathie, die Bürgermeister Meyer und ein großer Teil der Bevölkerung der französischen Herrschaft entgegen gebracht hatten, war nach sechs Jahren gänzlich verflogen. Das Königreich Westfalen war 1813 nicht nur militärisch, sondern auch ideell gescheitert. Eingebunden in Napoleons Expansionsbestrebungen waren es Kriegskontributionen, Zwangsrekrutierungen, Truppendurchmärsche und die wirtschaftlichen Folgen der Kontinentalsperre, die dem Anspruch des Modellstaates, Freiheit und Wohlstand zu bringen, Hohn sprachen. In Paderborn trauerte wohl niemand dem Königreich hinterher. Noch am selben Abend trafen die ersten Koalitionstruppen, ein Trupp von 40 bis 50 Kosaken, in Paderborn ein und am 9. November 1813 kam General von Borstell, um das ehemalige Hochstift wieder für den König von Preußen in Besitz zu nehmen. </p> <p>Die Rückkehr der preußischen Herrschaft veränderte auf der unteren kommunalen Verwaltungsebene nur wenig. Anton Bernhard Meyer, jetzt wieder Stadtdirektor, blieb ebenso wie der Sekretär und der Polizeikommissar im Amt. Nun wurden die Siege der Koalitionstruppen feierlich begangen und der Jahrestag der Schlacht bei Leipzig, der sogenannten Völkerschlacht, in der die preußisch-russischen Truppen Napoleon zum Rückzug aus Deutschland gezwungen hatten, in den jährlichen Festkalender aufgenommen. Dieser Jahrestag wurde auch als Termin für die Huldigung ausgesucht, mit der die Inbesitznahme der westfälischen Territorien durch Preußen öffentlich demonstriert wurde. Am 18. Oktober 1815 reiste Anton Bernhard Meyer als Vertreter der Stadt zu den Huldigungsfeierlichkeiten nach Münster. In der Stadt Paderborn begannen die Feierlichkeiten bereits am frühen Morgen durch Glockengeläut und Kanonenschüsse. Dann folgten um neun Uhr ein Hochamt im Hohen Dom, die Anbringung des preußischen Adlers am Rathaus unter Beteiligung des Bürgerbataillons und der Stadtregierung, eine Speisung der Armen und am Abend ein Feuerwerk sowie ein Ball. Im Programm der Stadtverwaltung hieß es: „Abends halb 6 Uhr wird das auf dem sogenannten Lichtkein-Thurme, einer altteutschen Warte oben auf dem Berge, eine Stunde vor der Stadt belegen, veranstaltete Feuer zur Verherrlichung des Jahrestages der denkwürdigen Schlacht bei Leipzig angezündet, wozu das unten am Berge veranstaltete Feuerwerk das Signal geben wird. Das zum Bergfeuer schon früher in völliger Parade und völliger Musik abmarschierte Bürgerbataillon und die gesamte Kavallerie wird alsdann nach einem dreimaligen Vivat unsers allgeliebten Königs und des ganzen königlichen Hauses wieder zur Stadt marschieren.“ Der Termin war mit Bedacht gewählt, sollte doch die Inbesitznahme der westfälischen Gebiete durch Preußen als ein Akt der Befreiung dargestellt werden – eine Befreiung von der jetzt als Fremdherrschaft interpretierten französischen Regentschaft des Königs Jérôme. Die Schlacht bei Leipzig, in der preußische Truppen entscheidend zum Sieg über Napoleon beigetragen hatten, wurde in einem größeren geschichtlichen Kontext als nationale Befreiungstat aufgefasst und mit Begriffen wie ‚deutsche Männer’ und ‚vaterländischer Tag’ an das im entstehen begriffene Nationalbewusstsein angeknüpft. Auch wenn Preußen in den folgenden Jahrzehnten ein ganz entschiedener Gegner eines deutschen Nationalstaates war, nutzte man doch diesen Tag als preußisch-deutsches Symbol, um die Loyalität gegenüber dem preußischen Königshaus zu stärken. Mit der Erbhuldigung fanden die „wechselvollen Zeiten“ ihren Abschluss. Paderborn blieb nun fest in preußischer Hand und Stadtdirektor Meyer noch bis zum Jahresende 1819 im Dienst. Nach seiner Pensionierung widmete er sich bis zu seinem Tod im Jahr 1846 historischen Forschungen und engagierte sich im Verein für Geschichte und Altertumskunde Westfalens, der im Jahr 1824 von seinem Bruder Theodor Ignatz Liborius Meyer gegründet worden war.</p>
Literatur
Grabe, Wilhelm; Moors, Markus (Hg.): Neue Herren – Neue Zeiten? Quellen zur Übergangszeit 1802 bis 1806 im Paderborner und Corveyer Land. Paderborn 2006 Linde, Roland: Vom Westfälischen Frieden bis zum Ende des Fürstbistums Paderborn (1648-1802). In: Frank Göttmann (Hg.): Paderborn. Geschichte der Stadt in ihrer Region. Bd. 2, Paderborn 1999, S. 267-497. Friedrich Keinemann: Das Hochstift Paderborn am Ausgang des 18. Jahrhunderts. Verfassung, Verwaltung, Gerichtsbarkeit und soziale Welt. Band 2, Bochum 1995. Maron, Wolfgang: Vom Ende des Fürstbistums bis zur Gründung des Deutschen Reiches (1802-1871). In: Karl Hüser (Hg.): Paderborn. Geschichte der Stadt in ihrer Region. Bd. 3, Paderborn 1999, S. 3-101. Uhlenhuth, Theodor: Die Verfassung der Stadt Paderborn im neunzehnten Jahrhundert nebst einem Verzeichnis der Mitglieder der Städtischen Körperschaften 1800-1918 und der Städtischen Beamten. Ungedrucktes Manuskript. Stadtarchiv Paderborn
Quellen
EAB, Archiv des Vereins für Geschichte und Altertumskunde Westfalens, Abteilung Paderborn, acta 50
Zitierweise
Andreas Neuwöhner: Anton Liborius Bernhard Meyer. In: Westfälische Biographien, hrsg. von Altertumsverein Paderborn und Verein für Geschichte Paderborn. Online-Ausgabe unter http://www.westfälische-biographien.de/biographien/person/4 (Version vom 19.03.2012, abgerufen am 13.04.2025)