Athanasius Kircher
Wissenschaftler
Zur Person
geboren: 2.05.1602 in Geisa (Röhn)
gestorben: 27.11.1680 in Rom
beerdigt:Tivoli, Kirche Mentorella
Konfession: katholisch
Mutter: Anna Gausek
Vater: Dr. Johannes Kircher
Geschwister: acht Geschwister
Biographie
Zu den bedeutendsten Jesuiten, die im Paderborner Jesuitenkolleg gelebt und gearbeitet haben, gehört neben P. Friedrich Spee von Langenfeld (1591 – 1635) der aus der Nähe Fuldas stammende P. Athanasius Kircher, der in Paderborn leider weitgehend vergessen ist, obwohl er zu seiner Zeit einer der bekanntesten Wissenschaftler war, den man auch als „Universalgenie“ bezeichnen kann. Athanasius Kircher wurde am 2. Mai 1602 in Geisa (Rhön) als jüngstes von neun Kindern der Eheleute Dr. theol. Dr. phil. Johannes Kircher und dessen Ehefrau Anna geb. Gausek geboren. Der Vater war Laiendozent für Theologie in der Benediktinerabtei Seligenstadt (Main) und vielseitig interessiert, so besonders an der Musik. Seinen Namen erhielt das Kind vom Tagesheiligen Athanasius; der Geburtstag dürfte auch der Tauftag gewesen sein. Von 1614 bis 1618 besuchte Kircher das Jesuitengymnasium in Fulda. Am 2. Oktober 1618 trat er in Paderborn in den Jesuitenorden ein, wo er das Noviziat begann und zugleich Philosophie und Theologie an der 1614 gegründeten Academia Theodoriana studierte. Als 1622 Herzog Christian von Braunschweig- Lüneburg Paderborn besetzte, floh Kircher unter abenteuer¬lichen Umständen nach Münster, von wo er dann nach Köln und Mainz versetzt wurde. In Mainz wurde er 1628 zum Priester geweiht. Schon 1629 lehrte er Moralphilosophie, Mathematik und orientalische Sprachen an der Universität Würzburg, floh aber 1631 von dort (die Schweden bedrohten die Stadt) nach Lyon und dann nach Avignon. Dort erreichte ihn 1633 der Ruf auf den Lehrstuhl Johannes Keplers (+ 1630) in Wien, den er aber ablehnte, weil eine Berufung an das „Collegium Romanum“ (gegr. 1551) in Rom bevorstand (seit 1582 „Gregoriana“). Dort lehrte er seit 1633 Mathematik, Physik und orientalische Sprachen. Seit 1641 brauchte er nicht mehr zu lehren, sondern konnte sich auf päpstlichen Wunsch ganz der Forschung auf seinen Interessengebieten widmen. Am 27. November 1680 starb Kircher in Rom; auf seinen Wunsch hin wurde sein Herz in der Kirche von Mentorella (bei Tivoli) beigesetzt. Die Ruinen dieser Kirche, die angeblich Kaiser Konstantin (+337) errichtet hatte, hatte Kircher 1661 gefunden und Geld für deren Wiederaufbau gesammelt. Entsprechend seinem umfangreichen wissenschaftlichen Interesse veröffentlichte Kircher eine Anzahl grundlegender Werke mit breiten Themenschwerpunkten. Zunächst aber sei auf seine Autobiografie verwiesen, die bis 1666 reicht und posthum 1684 in Augsburg gedruckt wurde. Mehr als 40 Bücher verfasste er zu Themen aus der Mathematik, Physik, Chemie, Geografie, Astronomie, Medizin, Musik, orientalischen Sprachen und Geschichte. Dabei folgte er einem universalwissenschaftlichen Ansatz; keinen Wert legte er auf die Ausbildung verschiedener Disziplinen, die damals im Entstehen begriffen war. Oft gehen seine Bücher über das eigentliche Thema hinaus und schließen verwandte Fragestellungen ein. Grundsätzlich schrieb er in lateinischer Sprache. Seine Bücher fanden weite Verbreitung und erreichten einen großen Leserkreis. Der englische Historiker Conor Reilly nannte ihn „Master of a Hundred Arts“, seine amerikanische Kollegin Paula Findlen bezeichnete ihn als „ersten Gelehrten mit weltweiter Reputation“. Mit mehr als 750 Wissenschaftlern seiner Zeit führte er eine Korrespondenz. Rene Descartes (+1650) nannte ihn jedoch „mehr Quacksalber als Gelehrten“, was aber eine Einzelmeinung blieb. Wie schon angeführt, beschäftigte sich Kircher mit praktisch allen damaligen Wissens¬gebieten. So fasste er in seiner „Musurgia universalis“ (1650) das gesamte Musikwissen seiner Zeit zusammen, und in der Medizin suchte er mit Hilfe des Mikroskops nach dem Erreger der Pest, wobei er nach den Feststellungen in dem Buch „Scrutinium Pestis“ (1658) „kleine Würmer“ im Blut fand. Darin schlug er auch hygienische Maßnahmen zur Pestbekämpfung vor. In der Physik baute er eine „Laterna magica“, die schließlich ein Vorläufer des Filmprojektors werden sollte. Auch Rechenmaschinen konstruierte er. Zusätzlich beschäftigte er sich mit den Sprachen der Welt. Dass er die orientalischen Sprachen beherrschte, ist schon angeführt worden. Selbstverständlich sprach er Latein und Griechisch. Er konnte außerdem Hebräisch, Arabisch, Chaldäisch, Französisch und Italienisch; Spanisch und Portugiesisch verstand er. Schon 1629 hatte er den Wunsch geäußert, als Missionar nach China zu gehen, was er aber nicht realisierte. Dennoch beschäftigte er sich intensiv mit chinesischer Sprache und Kultur, wovon sein Buch „China ... illustrata“ (1667) Zeugnis ablegt. In diesem Buch machte er Europa auch mit der um 780 entstandenen Inschrift von Singanfu bekannt, die die Anwesenheit des (nestorianischen) Christentums in China zu dieser Zeit belegt. Weitgehend stützte er sich dabei auf Berichte seiner Ordensbrüder, die in China missionierten. Sein Interesse an der Ägyptologie wurde 1628 geweckt, als er in Speyer eine Hieroglyphen-sammlung sah. So lernte er 1633 die koptische Sprache und legte 1636 eine erste Grammatik dieser Sprache vor. Eine Frucht dieser Arbeit ist auch die Aufstellung des kleinen Elefanten vor der Kirche „Santa Maria sopra Minerva“ in Rom, wobei der Elefant einen Obelisken trägt. Diesen Vorschlag Kirchers realisierte kein Geringerer als Bernini, der Baumeister der Peterskirche (+1680). Er beschäftigte sich auch mit der Entschlüsselung der Hieroglyphen, die dann Jean- Francois Champollion (+1832) dank der Vorarbeiten Kirchers gelang. Dass Kircher bei der Fülle dieser Arbeit den Kontakt zur Heimat nicht verloren hat, belegt seine Korrespondenz. Einen intensiven Briefwechsel pflegte er mit seinem Bruder Andreas (+1662), der als Franziskaner lange Jahre in Münster lebte. Fünf lateinische Briefe des Bruders an Athanasiuis aus den Jahren 1644 bis 1652 haben sich im Archiv der Gregoriana in Rom erhalten. Mit anderen Persönlichkeiten in Münster korrespondierte er ebenfalls, so mit Domdechant Bernhard von Mallinckrodt (+1664) und Stadtarzt Dr. Bernhard Rottendorff. Einige seiner Bücher widmete er Fürstbischof Ferdinand von Fürstenberg (1661 – 1683) als Dank für dessen Missionsbemühungen, die in der „Missio Ferdinandea“ (1682) ihren Höhepunkt fanden. Ferdinand hatte in ihr Geld zur Finanzierung von acht Jesuiten in China und Japan bereit gestellt. Weitere Briefpartner in Paderborn waren Weihbischof Nils Stensen (+1686) und sein Ordensbruder Johannes Grothaus (+1669), Beichtvater des Fürstbischofs. Kircher blieb sein Leben lang ein Mann der Kirche und seines Ordens. So war er immer bemüht, seine wissenschaftlichen Ergebnisse in Einklang mit der kirchlichen Lehre zu bringen. Sein erster Paderborner Biograf Georg Joseph Rosenkranz (+1855) bescheinigt ihm einen „... ungeheuren Umfang seiner Kenntnisse, die mannigfache Empfänglichkeit seines Geistes und das rasche Übergehen von einem Wissenszweig zum anderen...“. War Kircher bis weit ins 20. Jahrhundert weitgehend vergessen (auch in Paderborn), so gibt es derzeitig eine durchaus große Renaissance: Ausstellungen zu Kircher gab es in Chikago (2000) und Rom (2001) sowie in der kalifornischen Stanford-Universität (2001) und der Ernst-August-Bibliothek in Wolfenbüttel (2002). Gezeigt wurden dort Teile seiner umfang-reichen Sammlungen, die Kircher der „Gregoriana“ vermacht hatte, von wo sie 1870 an den italienischen Staat gelangten und sich bis heute in Museen in Rom befinden. Gerade auch in Paderborn sollte man sich eines Mannes erinnern, dessen Bedeutung in Paderborn ihre Grundlage erfahren hat.
Literatur
Honselmann, Clemens, Athanasius Kircher auf der Flucht vor den Scharen des „Tollen Christian“ in: Die Warte ,Heft 40 (1983), S. 37-39 Krafft, Fritz, Kircher, Athanasius, in NDB Band 11 (1977), Berlin, Sp. 641-645 Neuwöhner, Andreas(Hg.), Im Zeichen des Mars – Quellen zur Geschichte des Dreißigjährigen Krieges und des Westfälischen Friedens in den Stiften Paderborn und Corvey, Paderborn 1998, S. 183 – 190 Rosenkranz, Georg Joseph, Aus dem Leben des Athanasius Kircher, in: WZ 13(1852), S.11 – 58 Polaczek, Dieter, Er verstand von allem etwas – Athanasius Kircher zum 400. Geburtstag, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 2. 5. 2002
Zitierweise
Klaus Zacharias: Athanasius Kircher. In: Westfälische Biographien, hrsg. von Altertumsverein Paderborn und Verein für Geschichte Paderborn. Online-Ausgabe unter http://www.westfälische-biographien.de/biographien/person/840 (Version vom 05.12.2011, abgerufen am 22.12.2024)